Es gibt ein englisches Sprichwort: "In Rome you must do like the Romans do", oder frei ins Deutsche übersetzt: "man muss mit den Wölfen heulen". Für den Farang in Thailand heißt das nun keineswegs, daß er sich vollständig an Thai-Sitten und -Gebräuche anpassen muss. Es wirkt eher lächerlich, wenn der Farang nur noch im Sarong herumläuft und vor jedem Mönch auf der Erde kniet. Er sollte sich aber bemühen, die wichtigsten Tabu-Regeln zu kennen und im Umgang mit Thais zu beachten. Die thailändische Kultur ist geprägt vom Buddhismus, der als quasi Staatsreligion als verbindendes Element fast aller Thais dient. Um die Alltagskultur zu verstehen, ist es aber auch wichtig, die große Bedeutung des Animismus für das tägliche Handeln der Thais zu berücksichtigen.
Der Farang kann sich bemühen so viel er will, all die vielen kleinen und großen Tabus zu beachten. Es wird ihm doch immer wieder passieren, dass er ins Fettnäpfchen tritt. Man wird beim Eintritt in ein Haus oder gar einen Tempel auf die Hausschwelle treten, den Kopf nicht neigen, wenn man an sitzenden Leuten vorübergeht, einen Mönch nicht mit einem respektvollen Wai begrüßen, eine Buddha-Statue niedriger als den Kopf des größten Farangs platzieren, der daran vorbeigeht, am Bahnhof Hua Lamphong träumend sitzen bleiben und nicht aufstehen, wenn die Nationalhymne um 8 Uhr morgens und 6 Uhr abends aus den Lautsprechern tönt, laut werden, wenn man den Eindruck hat, für dumm verkauft zu werden und viele andere Dinge mehr. Man möchte manchmal meinen, dass alleine der Umstand, dass man ein Farang, ist schon einen Verstoß gegen das darstellt, was der normale Thai für schicklich hält.
Trotz allem Bemühen wird es dem Farang in Thailand also immer wieder passieren, gegen irgendeine Benimmregel oder ein Tabu zu verstoßen. Thais sind aber relativ tolerant gegen kleine Tabuverstöße durch den unwissenden Farang und werden mit einem Lächeln darüber hinwegsehen. Ein Lächeln hilft manche problematische oder unsichere Situation zu überstehen, ebenso wie die häufig verwandte Formel "mai pen rai" (das macht nichts). Trotzdem sollte man sich bemühen, so gut es geht, die für Thais üblichen Höflichkeitsformen zu beachten. Dazu gehören u.a. folgende Dinge:
Grundsätzlich sollte man die Religion der anderen achten, und in Thailand gehört dazu das entsprechende Verhalten gegenüber den Abbildern Lord Buddhas und der Königsfamilie, die in Thailand quasi religiöse Verehrung genießt. Dass man sich in einem Tempel anständig benehmen und auch nicht in kurzen Hosen oder durchsichtigen Blusen zum Buddha gehen sollte, steht in jedem Reiseführer und sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ansonsten kann man aber getrost in jeden Tempel gehen und alles, was einem gefällt, photographieren, mit Ausnahme des Smaragd-Buddhas im Wat Prah Kheo, dem thailändischen Nationalheiligtum. Die Thais lassen sich dadurch in ihrer Andacht und ihren Gebeten nicht stören, zumindest solange man keinen Blödsinn mit dem Buddha-Standbild treibt, zum Beispiel darauf klettert, um sich für das heimatliche Photoalbum zu verewigen. Trotzdem sollte man beim Photographieren von fremden Personen etwas zurückhaltend sein, da viele Thais glauben, daß mit jedem Photo auch ein kleines Stückchen von ihrer Seele mitgeht, d.h. dem rechtmäßigen Eigentümer entzogen wird. Wenn man in einen Tempel geht, so hockt man sich dem Buddha-Standbild gegenüber auf den Boden, aber stets so, daß die Füße von Buddha weg zeigen. Die Thais hocken sich mit den Füßen nach hinten auf ihre Hacken, eine Stellung, die allerdings kein übergewichtiger Farang lange durchhält.
Ein Mönch - und sei er es nur, wie viele Jungen, für eine kurze Zeit - darf absolut keinen Körperkontakt mit Frauen haben. Unter keinen Umständen darf eine Frau ihn berühren Sie brächte ihn in erhebliche Schwierigkeiten. Das gilt sogar für Schuljungen, die, um für ein verstorbenes Familienmitglied "tam boon" zu tun, für eine kurze Zeit, manchmal nur einen Tag oder auch eine Woche, ins Kloster gehen und sich die safrangelbe Robe umhängen. Als unsere Oma gestorben war, gingen 2 Enkel von ihr, gerade 11 und 12 Jahre alt, für zwei Wochen als "Nen" ins Kloster, um für die Seele der Oma zu beten. Jeden Nachmittag zog die Mutter zum Kloster und brachte jedem eine Flasche Kakao, damit ihre Jungen nachmittags, wenn die Mönche keine feste Nahrung mehr einnehmen dürfen, nicht verhungerten. Die Flaschen durfte sie ihren Sprößlingen aber nicht in die Hand geben, sondern mußte sie auf ein gelbes Tuch stellen, das sie extra vor sich auf den Boden legten.
Es gilt als unschicklich, eine Person des anderen Geschlechts anzufassen, selbst wenn man nur als freundlich gemeinte Geste den Arm berührt. Es verstößt auch gegen die guten Sitten, in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten auszutauschen, selbst wenn es nur ein Küßchen unter Eheleuten ist. Man wird öfter sehen, daß zwei junge Mädchen, oder auch zwei Jungen, Hand in Hand über die Strasse gehen, bei einem Pärchen aber gilt es als unschicklich, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten
Im Kopf des Menschen wohnt die Seele. Er sollte nicht berührt werden, auch wenn es sich um ein kleines Kind handelt. Diese Regel geht soweit, daß jegliche Dinge - so erschwerend dies in mancher Situation sein mag - nicht über den Kopf hinweggereicht oder gehalten und schon gar nicht geworfen werden. Man gibt und nimmt etwas mit der rechten Hand, wobei man mit der linken Hand den rechten Unterarm anfaßt, so, als wolle man ihn unterstützen. Wenn man dicht an sitzenden Personen vorbeigeht, so neigt man leicht den Kopf, um anzudeuten, dass man sich nicht über den anderen erhoben fühlt. Bei Personen, denen man Respekt bezeugt, wird man sogar etwas in die Knie gehen, bzw. den Oberkörper beugen, wenn man dran vorbeiläuft.
Die Füße sind mit Vorsicht zu gebrauchen. Sie sind der niedrigste Körperteil, und es ist unhöflich, mit dem Fuß auf etwas zu zeigen. In der Öffentlichkeit vermeidet man sogar das Verschieben und Treten von Dingen mit dem Fuß. Als ich einmal nach einem Einkauf mit beiden Armen schwer beladen durch die Tür schritt, fiel mir ein Teil auf die Erde. Da ich keine Hand frei hatte, zeigte ich mit dem Fuß auf das heruntergefallene Teil und bat meine Frau, es aufzuheben, nur um ein erstauntes Kopfschütteln zu bekommen. Die Mißachtung der Füße erscheint dem Farang allerdings besonders komisch in einem Land, dessen Nationalsport darin besteht, daß zwei Kämpfer im Ring versuchen, sich gegenseitig mit den Füßen k.o. zu schlagen.
Auch dem unbedarftesten Touristen dürfte klar sein, daß man sich die Schuhe auszieht, bevor man in einen Tempel eintritt. Grundsätzlich ist es aber auch wichtig, daß man jedesmal, bevor man in ein Haus eintritt, die Schuhe auszieht. Das nicht nur etwa, damit man den Boden nicht schmutzig macht, sondern weil es ganz einfach eine Beleidigung der Bewohner ist, mit Schuhen in ein Haus einzutreten. Thais kennen normalerweise keine Stühle, sondern alles sitzt auf dem Boden, und auch das Essen wird normalerweise auf dem Boden serviert. Aus diesem Grund wird großer Wert auf die Sauberkeit des Bodens gelegt, es ist also eine grobe Unhöflichkeit, wenn der Farang mit Straßenschuhen darüber spaziert. Man gibt damit zu erkennen, daß man das Haus nicht mehr achtet als einen Stall, wo man ja auch die Schuhe nicht auszuziehen braucht, wenn man hineingeht. Bei uns auf dem Dorf zieht sogar jeder Kunde seine Sandalen aus, bevor er in den kleinen Supermarkt eintritt.
Thais haben eine instinktive Abneigung davor, über unangenehme Dinge oder Entwicklungen zu sprechen. Wenn ich z.B. mal die Sprache darauf bringen will, was zu tun wäre, wenn etwas Negatives oder gar ein Unglück eintreten würde, höre ich immer nur "yah puht" (sprich nicht davon). Ich weiß nicht, ob dieser Unwille, über unangenehme Dinge zu sprechen, nun auf den Aberglauben zurückzuführen ist, durch das Aussprechen solch trauriger Dinge erst das Unglück herbeizureden, oder ganz einfach nur auf das Bemühen, unangenehmen Gedanken auszuweichen, nach dem Motto "wenn ich die Augen zumache, geht das Böse weg". Wahrscheinlich ist beides der Fall.
Kleinere Fehler oder Mißgeschicke werden einfach mit "mai pen rai" (macht nix) beiseite gelegt. Auch für diese Einstellung liegen die Wurzeln im Buddhismus. Was passiert, muss passieren, man kann nichts dagegen tun. Warum soll man sich dann lange darüber den Kopf zerbrechen? Es ist Schicksal, Karma, wahrscheinlich liegen die Ursachen dafür in einem früheren Leben. Das ist nicht mehr zu korrigieren, aber man wird versuchen, in diesem Leben alles richtig zu machen, damit im nächsten so ein Mißgeschick nicht wieder vorkommen kann.
Etwas, wovor der Farang sich auch hüten muss, ist bei Ärger laut zu werden oder zu schreien. Auch bei uns gilt das Sprichwort "wer schreit, hat Unrecht", einem Thai gegenüber wirkt Schreien aber aggressiv und beleidigend. Durch lautstarkes Pochen auf sein gutes Recht wird man oft jede Möglichkeit versperren, sein Recht zu bekommen, vor allem bei Ordnungshütern.
Dieser Beitrag erschien im Original bei www.Thaifrau.org